08/16: “We Care for Tomorrow’s Tomorrow”

Development of Carbon-neutral Engines at KIT’s Institute of Internal Combustion Engines

The text was written in German, an excerpt is available in English at the end of the text.
 

Der moderne Mensch hatte schon immer den Wunsch, sich das Leben mithilfe von Motoren zu erleichtern. Waren es im antiken Griechenland noch Rauchturbinen, die halfen, schwere Tempeltüren wie von Geisterhand zu öffnen, führte die Erfindung der Dampfmaschine zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu einer ersten Revolution der maschinellen Produktionsmöglichkeiten. Und nachdem James Watt den Kondensationsprozess aus dem Zylinder in einen separaten Kondensator verlagert hatte, erreichte die Dampfmaschine einen Wirkungsgrad, mit dem auch ganz neue Formen der Mobilität möglich waren: Mit Dampfschiffen und Dampflokomotiven wurde die Welt von diesem Zeitpunkt an für uns Menschen immer kleiner.

 

Wenn heute am Institut für Kolbenmaschinen des KIT an Motoren geforscht wird, geht es nicht mehr um das Öffnen von Tempeltüren, sondern um die globalen Herausforderungen einer hochindustrialisierten Welt. Denn das Herz unserer scheinbar grenzenlosen Mobilität ist inzwischen der Verbrennungsmotor, der vor gut 150 Jahren die Dampfmaschine abgelöst hat. Als das Institut für Kolbenmaschinen (IFKM) 1934 von Professor Otto Kraemer gegründet wurde, waren Dampfmaschinen und Verbrennungskraftmaschinen noch gleichermaßen Gegenstand der Forschung. Heute ist gemäß den aktuellen Anforderungen der Fokus ganz auf den Verbrennungsmotor gerichtet.

 

„Für unsere Mobilität wird der Verbrennungsmotor auch in Zukunft nicht ersetzbar sein. Unsere Aufgabe ist es, ihn für eine nachhaltige Nutzung ständig zu verbessern und weiterzuentwickeln“, so Professor Thomas Koch, der das Institut seit 2013 leitet. Zuvor war Koch zehn Jahre im Nutzfahrzeugbereich der Daimler AG tätig. Seine Industrieerfahrung und anwendungsorientierten Kenntnisse prägen die inhaltliche Ausrichtung des IFKM und machen Koch zum gefragten Experten bei vielen aktuellen und kontrovers diskutierten Themen. Gutes Beispiel ist die jüngste Krise bei VW, die dazu geführt hat, dass die Telefone im Institut nicht mehr stillstanden. Um den vielen Anfragen rund um die Abgastechnologie gerecht zu werden, wurde schließlich eine umfangreiche Internetseite geschaffen, die auf die wichtigsten Fragen kompetent Antwort geben konnte.

 

In der Tat waren in der Vergangenheit bereits große Herausforderungen rund um die Umwelteignung des Verbrennungsmotors zu meistern. Insbesondere klimarelevantes CO2, Stickoxide oder Partikelemissionen sind mit dem Verbrennungsmotor in Verbindung gebracht worden.

 

Durch die Einführung des Partikelfilters ist der Feinstaubbeitrag des Motors aber nicht mehr relevant im Vergleich zu anderen Emittenten. Gleichwohl verbleiben Herausforderungen. Die Forschungsschwerpunkte am IFKM sind daher ganz auf diese Herausforderungen abgestimmt: Ziele sind eine kontinuierliche CO2-Reduktion von Verbrennungsmotoren, eine Reduzierung der sonstigen Emissionen und eine Gesamtsystemvereinfachung zur Robustheitssteigerung und Kostenreduktion von Motoren. Denn trotz intensiver Zusammenarbeit mit der Autobranche ist für Koch klar: „Die Industrie kann sich nur mit morgen beschäftigen, wir kümmern uns um das Übermorgen.“

 

Beispiel ist die aktuelle Diskussion um Stickstoffdioxidemissionen: Im Verbrennungsmotor entstehen neben unvermeidbaren Verbrennungsprodukten (wie dem Treibhausgas CO2) auch vermeidbare Schadstoffe wie beispielsweise Stickoxide (NOx), die durch die hohen Betriebstemperaturen, durch den Sauerstoff in der Ansaugluft und durch den darin enthaltenen molekularen Stickstoff gebildet werden. Um diese Stickoxide unschädlich zu machen, wird nach gängiger Praxis in Kombination mit einem SCRKatalysator Harnstoff ins Abgas eingespritzt. Diese Form der Abgasnachbehandlung funktioniert jedoch nur, wenn die Abgase heißer sind als 160 Grad Celsius. Sind sie kälter, bilden sich unerwünschte und nachteilige Ablagerungen in der Abgasanlage. Diese Temperaturabhängigkeit führt leider dazu, dass bei niedrigen Außentemperaturen und niedriger Motorlast aktuelle Abgasnachbehandlungen nicht ausreichend wirken. Einige Autobauer drosseln die Abgasreinigung daher bei Außentemperaturen unter ca. 10 Grad Celsius. mit dem Verweis auf den gesetzlich geregelten Bauteileschutz – zum großen Leidwesen der Umweltverbände, die überhöhte Stickoxidkonzentrationen in Ballungsgebieten beklagen. „Die erhöhten Stickoxidemissionen können nachhaltig reduziert werden, indem wir Systeme entwickeln, bei denen unter anderem die Abgasanlage näher am Motor liegt. Damit sind die Abgase auch bei niedrigen Außentemperaturen noch heiß genug für eine effektive Nachbehandlung“, so Koch.

 

24 Motorenprüfstände stehen am IFKM zur Verfügung. Mit optischen Messverfahren, die mithilfe minimalinvasiver, endosopisch auch im Inneren der Motoren Anwendung finden können, werden Strömungen, Einspritzvorgängen, Gemischbildung und die motorische Verbrennung analysiert. Zur Simulation der Motorprozesse werden je nach Aufgabenstellung zudem unterschiedliche Simulationstools eingesetzt, mit denen der gesamte Arbeitsprozess vom Ladungswechsel über die Einspritzung und Gemischbildung bis hin zur Verbrennung abgebildet und moduliert werden kann.

 

„Unsere große Vision aber ist die Entwicklung eines CO2-neutralen Verbrennungsmotors. Spätestens im Jahr 2050“, so ist der Karlsruher Forscher überzeugt, „muss die Entwicklung flächendeckend so weit sein.“ Die fossilen Brennstoffe, mit denen heutzutage Verbrennungsmotoren betrieben werden, werden dann durch neue, maßgeschneiderte und hergestellte Kraftstoffe ersetzt. Dazu wird mithilfe regenerativer Energieformen Wasser in Wasser- und Sauerstoff zerlegt (Elektrolyse) und der Wasserstoff zusammen mit Kohlenstoff als Energieträger zur Herstellung neuer geeigneter Kraftstoffmoleküle genutzt. Mit der Entwicklung dazu passender Motoren steht der grenzenlosen Individualmobilität dann zumindest aus Umweltsicht nichts mehr im Wege. „Das ist dann unsere nächste mobile Revolution – und das KIT wird ganz vorne mit dabei sein“, blickt Koch zuversichtlich in die Zukunft.

 

Text von Gereon Wiesehöfer

 

Excerpt in English

 

“We Care for Tomorrow’s Tomorrow” – Development of Carbon-neutral Engines at KIT’s Institute of Internal Combustion Engines

Translation: Heidi Knierim

 

Engine research at IFKM Institute of Internal Combustion Engines seeks to address the global challenges of a highly industrialized world. When it was founded in 1934 by Professor Otto Kraemer, IFKM performed research for both steam and combustion engines, but today’s focus is on the latter only.

 

According to Professor Thomas Koch, who has been heading the institute since 2013, the combustion engines that ensure our mobility cannot be replaced even in the future and it is our duty to continuously improve and develop them for sustainable use. Research at IFKM thus focuses entirely on the related challenges and the objectives of a continuous reduction of combustion engine carbon dioxide emissions, a decrease in other emissions, and an overall system simplification for cost reduction and enhanced engine robustness. Thomas Koch values close cooperation with the automobile industry but says that “industry can only take charge of tomorrow. We, in addition, are able to care for tomorrow’s tomorrow”.

 

Twenty-four engine test beds are available at IFKM. Engine flows, injection processes, fuel mixing, and combustion are analyzed by optical measurement methods that can be used inside engines via minimally invasive endoscope-optical apertures. Depending on the tasks at hand, different tools are used for simulation and modulation of the entire process, from gas exchange to injection as well as fuel-mixture generation and combustion.

 

Interview aus der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins LooKIT, Edition 2/2016, Schwerpunkt Mobilität.

Interview within the current edition of the science magazine LooKIT on mobility at the Karlsruhe Institute of Technology, Edition 2/2016.

Photos: Patrick Langer