bioliq Research Project

Plant for the Production of Biofuel in Conjunction with the Energy Lab 2.0

Article within the current edition of the KIT magazine lookKIT on information at the Karlsruhe Institute of Technology, Edition 4/2016. The text was written in German, an excerpt is available in English at the end of the text.

Stroh zu Gold spinnen das soll im Märchen die Tochter des Müllers fertig bringen. Ob man schon früher geahnt hat, dass Stroh in Wertvolles verwandelt werden kann? Mit dem bioliq ®-Verfahren gelingt es heute, aus Stroh Kraftstoffe wie Benzin oder Kerosin zu gewinnen. Seit 2005 gibt es das Projekt am KIT, dessen Sprecher Professor Jörg Sauer vom Institut für Katalyseforschung und technologie ist: „Es gibt einen großen Bedarf auch politisch an Biokraftstoffen. Die Euro päische Gemeinschaft hat Ziele definiert, wie viel Biokraftstoff wünschenswert wäre. Es war relativ schnell klar, dass man mit den damals verfügbaren Kraftstoffen wie Biodiesel und Bioethanol die Ziele nicht erreichen würde.“ Zwar konnte mit diesen ein bestimmter Prozentsatz an Biokraftstoffen bereitgestellt werden, aber weder im gewünschten Umfang noch in befriedigender Qualität. Deshalb der Blick auf die pflanzlichen Reststoffe: Warum nicht versuchen, auch aus anderen Biomassen Kraftstoffe zu gewinnen? Das Karlsruher bioliq ®-Projekt wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Land Baden Württemberg gefördert, um mittelbis langfristige Optionen für eine Versorgung mit nachhaltigen Kraftstoffen erforschen zu können.

Bioliq ® ist ein Prozess zur Herstellung der sogenannten zweiten Generation von Biokraftstoffen. Zur ersten Generation zählen Bioethanol, ein Benzinersatz, der aus Zucker hergestellt wird, und Biodiesel aus Pflanzenöl. Für beides werden Pflanzen benötigt, die auch für die Nahrungsmittelindustrie gebraucht werden, sagt Jörg Sauer: „Sie haben deswegen ein begrenztes Potenzial, denn es können natürlich nicht alle Äcker dieser Welt für Kraftstoffe hergenommen werden. Für bioliq ® nutzen wir Reststoffe wie Stroh und andere trockene pflanzliche Bestandteile.“ Diese Art Biomasse, die Lignocellulose, besteht aus drei Naturpolymeren, also langkettigen und miteinander vernetzten Molekülen: Der Cellulose, die auch zur Papierherstellung genutzt wird, dem Holzstoff Lignin, der zulässt, dass Bäume hoch wachsen ohne zusammenzubrechen, und Hemicellulose, die diese Stoffe verbindet. Diese langkettigen Moleküle werden schrittweise durch hohe Temperaturen in ihre kleinsten Bausteine zerlegt: Wasserstoff und Kohlenmonoxid, zwei reaktionsfreudige Moleküle. Beide zusammen bilden eine energiereiche Mischung, das Synthesegas. Mithilfe geeigneter chemischer Katalysatoren können die kleinen Moleküle dann wieder zu größeren verknüpft werden. Es entstehen abhängig vom Katalysator und den Prozessbedingungen entweder Kraftstoffe, Chemikalien oder Bausteine für Kunststoffe wie Ethylen und Propylen.

Das Ganze nimmt sich die Natur zum Vorbild, sagt Sauer: „Was wir machen, ist eigentlich im industriellen Maßstab eine Kreislaufwirtschaft mit dem CO2 aufzuziehen, ganz ähnlich wie es auch die Natur macht.“ Die Pflanze wandelt bei der Photosynthese Kohlendioxid und Wasser mithilfe des Sonnenlichts in Kohlenhydrate um. Am Kohlenstoff ist die Sonnenenergie gebunden, die Mensch und Tier nutzen, wenn sie Pflanzen zu sich nehmen. Später gelangt der Kohlenstoff wieder als CO2 in die Atmosphäre. Wenn die Pflanzen wachsen, brauchen sie CO2 , wenn sie zerfallen, wird es wieder freigesetzt. „Wir erweitern nur den natürlichen CO2 -Kreislauf durch technische Prozesse und versuchen, eine Art künstliche Photosynthese zu machen. Weil wir das nicht so gut dezentral können wie die Bäume, gehen wir in industrielle Anlagen“, erklärt Jörg Sauer. Bei der Biokraftstoffsynthese entsteht ebenfalls CO2 und auch, wenn der Kraftstoff am Ende im Auto verbrannt wird. Der Charme dabei sei aber, dass sich die Pflanze diese Menge an CO2 vorher aus der Luft geholt habe. Mit synthetischen Kraftstoffen aus Biomasse können die mit dem Verkehr verbundenen CO2 -Emissionen vermindert werden.

Biomasse hat im Vergleich zu Rohöl und Erdgas ein „Wasserstoffdefizit“. Soll der gesamte Kohlenstoff der Biomasse zur Kraftstoffherstellung genutzt werden, braucht man mehr Wasserstoff als in ihr vorhanden ist. Genau an dieser Stelle ist einer der Hauptberührungspunkte mit dem Energy Lab 2.0 des KIT. Diese beiden Infrastrukturen gleicher Grö- ßenordnung finden sich jetzt zusammen und es gibt gleich mehrere Synergieeffekte. Ein wichtiger Teil des Energy Lab 2.0 ist die Elektrolyse, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff mithilfe erneuerbarer Elektrizität spaltet. Der so erneuerbar hergestellte Wasserstoff kann dann mit dem überschüssigen Kohlendioxid der bioliq®-Anlage zusammengeführt werden: „Durch das Zusammenspiel der beiden Anlagen können wir das auch praktisch erproben und so mehr vom Endprodukt Benzin gewinnen; die Ausbeute kann so dramatisch gesteigert werden“, meint Jörg Sauer.

Doch es geht in beide Richtungen: Umgekehrt kann bioliq®, alternativ zur Kraftstoffgewinnung, für das Elektrizitätsnetz des Energy Lab 2.0 nutzbar gemacht werden, sagt Sauer: „Das Synthesegas, das wir aus Biomasse erzeugen, ist sehr heizwertreich. Wenn wir das in einer Gasturbine verbrennen, wird Strom hergestellt. So kann das Netz stabilisiert werden, wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind weht.“ Eine Aufgabe des Energy Lab 2.0 ist es, Lösungen für die Speicherung der fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen zu finden. bioliq® bietet hier Möglichkeiten für chemische Energieträger: „Die Biomasse kann eine Komponente sein, die zur Stabilität des Systems beiträgt. Wir können auch Wasserstoff an Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid anlagern und Methan oder Jet Fuel erzeugen. bioliq® kann in diesem Sinne als Synthesegas- und Kohlenstoffquelle für das Energy Lab 2.0 fungieren.“

Wenn der bioliq®-Prozess in einer Großanlage betrieben wird, braucht er im laufenden Betrieb keine zusätzlichen fossilen Energien. Etwa zehn Prozent der Energie des Rohstoffs sind Brenngas, mit dem die hohen Temperaturen von 500 Grad Celsius für die Pyrolyse aufrechterhalten werden können. Ein erstes Zwischenprodukt ist ein energiereiches Biosyncrude; das eingesetzte Weizenstroh wird in eine Mischung aus Koks und Öl umgewandelt, in der ungefähr 90 Prozent der Energie aus der Biomasse stecken. Das zweite wichtige Zwischenprodukt ist das bei über 1200 Grad Celsius gewonnene Synthesegas, das für die Herstellung von Kraftstoffen sehr sauber sein muss, weil die chemischen Katalysatoren keine Verunreinigung vertragen können. Im Kraftstoff landet ungefähr ein Drittel der Energie.

Das bioliq®-Verfahren hat verschiedene Schritte, die jeweils Fragen für Forschung und Entwicklung aufwerfen. Ein wichtiger Aspekt ist es, die Nutzung der erzeugten Produkte im Zusammenhang mit ihren jeweiligen Anwendungen zu sehen. In Zusammenarbeit mit Motorenentwicklern des KIT-Zentrums Mobilitätssysteme und anderen Instituten sowie Industriepartnern wird daran gearbeitet, welche Kraftstoffe in der Zukunft benötigt werden. So kann für ein neues Motorenkonzept eine bestimmte Verbrennungseigenschaft des Kraftstoffs gewünscht sein, etwa dass er besonders sauber und emissionsfrei verbrennt: „Wir müssen erforschen, wie Komponenten aussehen müssen, damit sie im Motor sauber verbrennen. Es ist faszinierend: Wenn Chemiker und Ingenieure zusammenarbeiten werden Molekülstrukturen gefunden, die besonders geeignet sind und zugleich großtechnisch hergestellt werden können“, sagt Jörg Sauer. Zu optimieren gilt es zum Beispiel die Wirtschaftlichkeit oder auch den CO2 -Fußabdruck eines Kraftstoffes.

Wenn der Benzinmotor einen besonders klopffesten Kraftstoff braucht, der eine sehr verzweigte Molekülstruktur haben soll oder der Dieselmotor sauberer funktioniert, wenn mehr Sauerstoff in den Molekülketten enthalten ist, dann müssen dafür Syntheserouten gefunden werden, die auch technisch machbar sind. Dieser Ansatz ist sinnvoll, da dies zu weniger kritischen Abgasen führt, ohne dass die Abgasreinigung der Fahrzeuge immer komplexer werden muss: „Wir müssen das Problem an der Wurzel packen. Wenn das Dieselkonzept weiter verfolgt werden soll, müssen wir eher über den Kraftstoff nachdenken als immer der Abgasreinigung noch einen oben drauf zu setzen.“ Neue Kraftstoffe könnten der deutschen Automobilindustrie, die viel Geld in die Dieselentwicklung gesteckt hat, helfen, weshalb sie diese Entwicklung auch mit großem Interesse verfolgt.

Von der Biomasse über die Umwandlung zu Kraftstoffen bis hin zu deren Verbrennung im Motor und dem CO2 -Kreislauf: Das alles ganzheitlich und möglichst über einen längeren Zeitraum zu betrachten, ist äußerst komplex. Aber es ist nötig, wenn etwas verändert werden soll. Dass im Zuge der Elektromobilität der Anteil an Verbrennungsmotoren zurückgehen wird, ist inzwischen absehbar. Die Mineralölindustrie verlegt ihren Fokus deshalb schon jetzt auf Wachstumsregionen, etwa in Asien. Ein Problem der Energiewende sei aber auch der weit verbreitete Glaube, es genüge, Photovoltaikanlagen und Windkraftwerke zu bauen, und ab 2030 könne dann über die Kraftstoffe nachgedacht werden, sagt Sauer: „Wenn der Rohölverbrauch bei gleich bleibendem Wohlstand reduziert werden soll, ist das eine noch viel größere Aufgabe als von den Kohleund Atomkraftwerken wegzukommen.“ Die riesigen Anlagen der Erdöl-Raffinerien zu ersetzen, werde Jahrzehnte dauern und das bei sehr großen Investitionen. Der Wiederbeschaffungswert der in Deutschland bestehenden Raffinerien liegt in der Größenordnung von 100 Milliarden Euro. Dass es wegen der drohenden Kosten nicht wirklich gelingt, einen Anfang zu machen, ist zwar nachvollziehbar, dennoch müssten jetzt wegweisende Entscheidungen getroffen werden, meint Jörg Sauer: „Allen westlichen Gesellschaften ist es bewusst, dass wir handeln müssen. Aber wir sind noch nicht bereit das Risiko und die Kosten zu tragen.“

 
 
Excerpt in English
 
Plant for the Production of Biofuel in Conjunction with the Energy Lab 2.0
Translation: Maike Schröder
 

bioliq® is a process to produce the so-called second generation of biofuels. Biofuels of the first generation are bioethanol, a gasoline substitute produced from sugar, and biodiesel made of plant oil. Both require plants that are also needed for food production. Bioliq®, by contrast, uses residues, such as straw and other dry plant constituents. This type of biomass, lignocellulose, consists of three natural polymers, i.e. long-chained and interlinked molecules: Cellulose that is also used for producing paper, lignin that makes trees grow high without collapsing, and hemicellulose that binds the other two substances. By a stepwise treatment at high temperatures, these long-chained molecules are decomposed into their smallest building blocks. These are hydrogen and carbon monoxide, two highly reactive molecules. Together, they form an energy-rich mixture, the synthesis gas. With the help of suitable chemical catalysts, the small molecules can then be combined to larger ones. Depending on the catalysts used and the process conditions, fuels, chemicals, or basic substances for plastics, such as ethylene or propylene, are produced. The installation of the Karlsruhe bioliq® plant was funded by the Federal Ministry of Food and Agriculture (BMEL) and the state of Baden-Württemberg in order to develop routes to high-performance fuels based on sustainable feedstocks.

Compared to crude oil and natural gas, biomass has a “hydrogen deficit”. If all carbon of the biomass is to be used for fuel production, more hydrogen than contained in the biomass is needed. It is here that KIT’s Energy Lab 2.0 comes in. Both large-scale infrastructures are now being brought together, giving rise to several synergy effects. A central part of the Energy Lab 2.0 is electrolysis, by means of which water is decomposed into hydrogen and oxygen with the help of renewable electricity. The renewable hydrogen produced can be mixed with the surplus carbon dioxide of the bioliq® plant. Vice versa, bioliq® can be used for the power grid of the Energy Lab 2.0. The synthesis gas produced from biomass is of high calorific value. Its combustion produces heat that can be used to produce power. In this way, the grid can be stabilized at times when the sun does not shine and the wind does not blow. The Energy Lab 2.0 is aimed at finding solutions for the storage of fluctuating renewable energy sources. bioliq® offers potential in particular for chemical energy carriers: “Biomass may contribute to the stability of the system. We can also attach hydrogen to carbon monoxide or carbon dioxide and produce methane or jet fuel. bioliq®, hence, can be used as synthesis gas and carbon source for the Energy Lab 2.0,” bioliq® spokesperson Professor Jörg Sauer of the Institute of Catalysis Research and Technology says.