Be a Winner in the Automobile Market of Tomorrow

An interview with Prof. Dr. Ing. Eric Sax

The text was written in German, an excerpt is available in English at the end of the text.

 

Professor Sax war fünf Jahre lang für den Bereich Entwicklung Elektrik/Elektronik bei Daimler Buses
verantwortlich. Heute leitet er das Institut für Technik der Informationsverarbeitung (ITIV) am Karlsruher
Institut für Technologie und ist Direktor am Forschungszentrum Informatik. Nicht zuletzt seine
Erfahrung in der Automobilindustrie und sein Mitwirken bei strategischen Roadmaps für Mobilität
2025 machen ihn zum geschätzten Gesprächspartner in einer der wichtigsten Fragen: der Zukunft
der Automobilindustrie.
 
Herr Prof. Sax, die Automobilindustrie wird sich in den nächsten Jahren rasant verändern. Worin sehen Sie die elementarsten Veränderungen?
 
Nach wie vor wird das Auto der Mobilitätsgarant bleiben. Doch Autos sind heute sehr autarke, abgeschlossene Systeme, was sich auch auf die Interaktion von Fahrzeugen auswirkt. Genau in diesem Punkt werden sich die größten Veränderungen vollziehen.
Die Autos von morgen öffnen sich, sie kommunizieren miteinander. Es existiert Kommunikation zum Backend und diese erfolgt in Echtzeit.
Das wird es uns künftig ermöglichen, auch Verkehrssituationen in Echtzeit aufzulösen. Und schafft die Grundlage für automatisiertes bis hin zu autonomem Fahren. Natürlich setzen diese Optionen Phantasien in Gang, zum Beispiel, das Lenkrad komplett auszubauen. Zum jetzigen Zeitpunkt bin ich da eher vorsichtig, aber auch überzeugt, dass sich Fahrzeuge künftig sichere Szenarien selbst ausrechnen.
Die aktuell noch weit verbreiteten Verbrennungsmotoren könnten sehr bald von Elektromotoren abgelöst werden. Es gibt spannende Entwicklungen bei der Elektrifizierung, unter anderem hinsichtlich der Batterie- und Antriebstechnik. Elektrifizierung ist einer der door opener für automatisiertes Fahren und weitere Dienste.
All dies sind Herausforderungen, denen wir klassisch kaum noch begegnen können. Das erlebt die Automobilindustrie, aber auch die IT-Industrie, die die Bühne von der anderen Seite betritt.
 
Selbstverständlich müssen sich diese Änderungen auch auf die Prozesswelt auswirken. Wo liegen hier die größten Herausforderungen und Chancen für die Automobilhersteller und Zulieferbetriebe?
 
Die Veränderungen brauchen ein tiefgreifendes Wissen, sowohl im Automobilbau, als auch auf der Ebene der Prozesse, Methoden und Tools. In der Entwicklung existieren noch sehr klassische, durch den Maschinenbau geprägte Verfahren. Jetzt kommt zunehmend ein stärkeres Gewicht durch Elektronik, Software und Informationstechnik. Und diese Bereiche entwickeln sich anders als die klassische, maschinenbau-orientierte
Hardware. Ideal wäre, beide Bereiche zu „verheiraten“. Denn selbstverständlich ist das Produkt des Prozesses nach wie vor ein Fahrzeug mit vier Rädern. Doch starres Eisen hat nun einmal eine andere Flexibilität im Entwurf als Software. Software lässt sich relativ leicht verändern – handelt es sich aber beispielsweise um ein Presswerkzeug für Designelemente, ist die Iterationsfähigkeit schon sehr eingeschränkt.
Diese beiden Welten zusammenzubringen, ist gleichzeitig Herausforderung und Chance. Wichtig ist, Verständnis für die jeweils andere Welt zu erwerben und einen guten Mittelweg zu finden. Wer die entsprechenden Tools beherrscht, wird am Ende zu den Gewinnern zählen.
 
Eine kritische Aufgabe wird auch sein, für die entsprechende Sicherheit zu sorgen. Wie sehen Sie dieses Thema?
 
Meines Erachtens werden die notwendigen Prozesse der Absicherung und des Testens heute häufig vernachlässigt. Wenn wir mit der Dekra oder dem TÜV reden, stellt sich oft die Frage, wie ein selbstlernendes System abgesichert werden kann. Und auf welcher Basis eine TÜV-Prüfung möglich ist. Wir reden von Software Updates Over The Air und davon, welche Vorteile die Kommunikation im Auto bringt. Aber letztendlich gibt es noch viele Aufgaben, die es zu lösen gilt. Und dies ist eine akademisch-wissenschaftliche Arbeit.
 
Für die kommenden Generationen werden vor allem die digitalen Fähigkeiten von Autos entscheidend sein. Größe und Leistung werden zunehmend unwichtiger. Was bedeutet dies für die Automobilindustrie von morgen? 
 
Das Mobilitätsziel wird bleiben, nur das Wie wird sich ändern. Man denkt heute schon in ganz anderen Dimensionen:
die Zwölf- und Achtzylinder sind vom Markt verschwunden, Hybridmotoren gefragt und Downsizing in aller Munde. Die Attraktivität des Fahrzeugs kommt nicht mehr über die Leistung. Vielmehr ist angesagt, eine clevere Assistenzfunktion zu haben und Always-on zu sein. Fahrzeuge unterscheiden sich dadurch, wie gut der Einparkassistent funktioniert oder eine Notsituation gelöst wird. Dies sind künftig die kaufentscheidenden Merkmale.
 
Nun haben wir bisher nur über den PKW-Bereich gesprochen. Wie sieht die Entwicklung im Bereich Nutzfahrzeuge aus?
 
Wir kommen auch in diesem Bereich viel stärker dahin, spannende Business Cases durch Assistenzfunktionen zu haben, die es beispielsweise erlauben, Pausenzeiten zu reduzieren. Notbrems- und Spurhalteassistenten bis hin zu Platooning eröffnen am Ende neue Business Cases. Gerade im LKW-Bereich wäre autonomes Fahren ein effektives Mittel, um Kosten zu sparen. Immerhin machen die Fahrerkosten in Mitteleuropa rund 50 % der Gesamtkosten aus.
 
Die Anforderungen an die künftigen Ingenieure in der Automobilbranche werden sich wandeln - gerade, was den internationalen Kontext betrifft. Wo sehen Sie hier gute Möglichkeiten, sich nachhaltig zu qualifizieren?
 
Den neuen Herausforderungen kann man sich von zwei Seiten nähern: Entweder kommt man aus der IT-Welt und weiß, wie die neuen Funktionen zu entwickeln. Oder man kennt die Automobiltechnik und weiß, dass jetzt neue Funktionen im Auto benötigt werden.
Selbstverständlich brauchen wir auch künftig die Spezialisten, zum Beispiel Radarspezialisten. Aber Spezialisten-Wissen muss auf einem durchgängigen akademisch-fundierten Prozess- und Methodenwissen basieren. Die Fähigkeit, Probleme abstrakt lösen zu können und systemisch zu denken, bekommt eine ganz neue Bedeutung. Ein Beispiel: Soll ein Auto autonom fahren, sind Sensoren erforderlich. Über die Auswertung der Sensor-Ergebnisse können die Fahrzeuge untereinander kommunizieren. So wird beispielsweise festgelegt, wer wem ausweicht.
Das ist nur mit systemischem Verständnis lösbar und deshalb steht für mich der Systemgedanke über dem Komponentengedanken.
Wir reden von weltweiter Zusammenarbeit. Alle großen Automobilhersteller sind inzwischen in osteuropäischen Ländern, Indien, Südamerika oder im Silicon Valley vertreten. Entscheidend ist, die Kommunikations-Schnittstellen einer verteilten Entwicklung zu beherrschen und ein weltweit durchgängiges, gemeinsames Prozessverständnis zu haben. Schafft dies ein Unternehmen nicht, wird es schwierig, in der Welt von morgen zu bestehen.
 
Excerpt in English
Translation: Maryrose Kelkis

Professor Sax has been working for Daimler Buses for five years in the development of electrical engineering / electronics. Today, he heads the Institute for Information Processing Technology (ITIV) at Karlsruhe Institute of Technology and is the Director of Research Center for Computer Science. His experience in the automotive industry and his involvement in strategic roadmaps for mobility 2025 make him an esteemed interlocutor in one of the most important questions: the future of the automotive industry.

Prof. Sax states that cars today are very self-sufficient, closed systems which also affect the interaction of vehicles. The cars of tomorrow communicate with each other in real time which will allow the resolution of traffic situations in real time. "At the moment, I am rather cautious, but also convinced that vehicles will calculate future safe scenarios themselves," says Prof. Sax.

The new challenges can be approached by two sides: the IT world and automotive technology. The ability to solve problems in an abstract way and to think systemically takes on a whole new meaning. "We speak of a worldwide cooperation. All major automotive manufacturers are now represented in Eastern European countries, India, South America and the Silicon Valley. It is crucial to master the communication interfaces of a distributed development to have a worldwide comprehensive, common process understanding. If this is not achieved by a company, it will be difficult to exist in tomorrow's world," said Prof. Sax.