Overcoming the Distance

Chinese-German Technology Development for Fuel Cell Vehicles

Article within the current edition of the KIT magazine lookKIT on information at the Karlsruhe Institute of Technology, Edition 3/2018. The text was written in German, an excerpt is available in English at the end of the text.

 

 

Fast neuntausend Kilometer Luftlinie sind es von Karlsruhe nach Shanghai – fast neuntausend Kilometer trennen das IPEK – Institut für Produktentwicklung am KIT vom Clean Energy Automotive Engineering Center (CEAEC) an der Tongji-Universität. Die räumliche Entfernung hat die beiden Forschungsinstitute aber nicht davon abgehalten, nun ein gemeinsames Entwicklerteam für das Forschungsprojekt MorEH2 (Methoden zur arbeitsteiligen räumlich verteilten Entwicklung von H2-Brennstoffzellen-Fahrzeugen in Kooperation mit China) zu gründen: „Wir arbeiten praktisch jeden Tag mit den Kolleginnen und Kollegen in China zusammen“, berichtet Projektleiter Dr. Matthias Behrendt bei einem Besuch der lookKIT-Redaktion auf dem Testgelände am Campus Ost des KIT, wo ein Teil der neuen Kooperation auf deutscher Seite umgesetzt wird. „Das Projekt ist so organisiert, dass es nicht weiter relevant ist, an welchem Ort wir uns physisch gerade befinden“, sagt er. So könne ein neu entwickeltes Antriebssystem in einem Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand am KIT zum Einsatz kommen, während der Fahrer in China sitzt. Bei dem Forschungsprojekt geht es also nicht nur um Antriebssysteme mit Wasserstoff-Brennstoffzellen, sondern explizit auch um die Frage, mit welchen Methoden sich eine gemeinsame Technologieentwicklung an getrennten Standorten realisieren lässt und wie man dabei über die Distanz effektiv zusammenarbeitet.

 

Dass gemeinsame internationale Entwicklerteams ein Novum bei der Fahrzeugentwicklung darstellen, mag zunächst überraschen. Denn medial transportiert wird häufig das Bild einer Automobilindustrie, die in internationalen Produktionsverbünden organisiert ist und deren globale Fertigungsketten so effizient ineinandergreifen, wie Zahnräder in einem gut geschmierten Getriebe. Doch Professor Albert Albers, Leiter des IPEK, widerspricht: „Bei der Automobilentwicklung ist von internationalem Austausch eher wenig zu spüren.“ Zu speziell wären die Ansprüche und regulatorischen Vorgaben in den jeweiligen Zielmärkten. „Als Wissenschaftler erscheint mir das manchmal geradezu anachronistisch“, sagt Albers. „Denken Sie nur an die CO2 -Problematik. Wir müssen international zusammenarbeiten, um hier Lösungen zu finden.“ Gemeinsam mit dem chinesischen Kooperationspartner wolle man nun den Beweis antreten, dass bereits bei der Entwicklung mehr Flexibilität und internationaler Austausch möglich sei. Mit dem neuen Forschungsprojekt vertieft das KIT außerdem seine bereits bestehende strategische Partnerschaft mit der Tongji-Universität in Shanghai. Beispielsweise kooperieren beide Forschungspartner bereits seit Längerem in der Lehre: Albers nimmt dort seit 2007 eine Gastprofessur wahr.

 

Als Ergebnis des Forschungsprojekts werden unter anderem Methoden zur Entwicklung von Antriebssystemen in räumlich verteilten Strukturen vorliegen, die jedem zur Verfügung stehen, der sie anwenden möchte. „Man kann sich das wie beim Kuchenbacken vorstellen“, erklärt Albers. „Ein Kuchen kann nur gelingen, wenn das Rezept vollständig ist und gewissen Regeln genügt. Wir entwickeln solche Regeln, natürlich nicht für neue Kuchenrezepte, sondern für die Entwicklung von Antriebssystemen.“ Basis für die Konzeption von Verfahren zur verteilten Produktentwicklung ist dabei der am IPEK entstandene und im KIT-Zentrum Mobilitätssysteme bereits etablierte IPEK-XiL-Ansatz (X-in-theLoop) zur Validierung mechatronischer Systeme. Dabei werden entgegen traditioneller Validierungsmethoden virtuelle und physische Testformen nicht getrennt voneinander eingesetzt. So kann eine Brennstoffzelle physisch in einem Labor am KIT stehen, während sie aber virtuell in eine Testfahrt in Shanghai eingebunden wird. Voraussetzungen dafür sind schnelle Netzwerktechnologien und allerlei hoch spezialisierte ITLösungen.

 

Die größte Herausforderung bei einem gemeinsamen Validierungsprozess an verteilten Standorten liege allerdings gar nicht in der physischen Distanz, betont Albers: „Wir müssen uns in Erinnerung rufen, was Validierung technischer Systeme eigentlich bedeutet. Die Frage lautet dabei ja nicht nur, ob wir funktionierende Technologien entwickelt haben. Vielmehr wollen wir auch wissen, ob wir die richtigen Technologien für die Menschen entwickelt haben, die sie später nutzen werden.“ Im Fall von China und Deutschland handle es sich um sehr unterschiedlich strukturierte Zielmärkte, mit verschiedenen Anforderungen an die Fahrzeuge. „Wer einmal in Shanghai Auto gefahren ist, der weiß, dass der Autoverkehr dort ganz anders funktioniert. Regeln werden weniger starr ausgelegt, vieles wird in direkter Kommunikation zwischen den Fahrern ausgehandelt.“ Das habe Auswirkungen etwa auf die Konzeption von Antriebssystemen und deren Topologien wie auch auf Assistenzsysteme oder auch auf das automatisierte Fahren. Die Möglichkeit zur unabhängigen und, falls erforderlich, eben auch marktspezifisch unterschiedlichen Entwicklung von Teilsystemen werde deshalb ein wichtiger Bestandteil der Methoden zur räumlich verteilten Validierung von Fahrzeugen sein, um die jeweilige Marktakzeptanz zu erzielen. Mit den im Projekt erforschten Methoden werden somit auch mehrere Antriebssysteme marktspezifisch konzipiert und in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Partner zur Demonstration aufgebaut und getestet.

 

Das Büro von Albers am IPEK bietet einen guten Ausblick auf den Verkehr in der Karlsruher Innenstadt. Durchaus möglich, dass genau hier bereits im 19. Jahrhundert die allerersten Autos mit Benzinmotoren vorbeituckerten, die bis heute den Straßenverkehr in Deutschland dominieren. Welche Fahrzeuge dort wohl in den nächsten Jahrzehnten unterwegs sein werden? „Ich bin kein Hellseher – aber wir Europäer sollten nicht zu einseitig auf eine Technologie setzen“, antwortet Albers. „Denn entschieden wird die Zukunft der Mobilität letztendlich in China.“ Die Tongji-Universität in Shanghai gilt als ein wichtiges Zentrum der Brennstoffzellenforschung in China, die dort einen hohen Stellenwert besitzt. In dem auf deutscher Seite vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und auf chinesischer Seite von der chinesischen Regierung geförderten gemeinsamen Forschungsprojekt spielt auch dieser Aspekt eine wichtige Rolle. Die Kooperation möchte beispielsweise dazu beitragen, gemeinsame Normungs- und Standardisierungsaktivitäten auf diesem Gebiet zu initiieren.

 

Kontakt: matthias behrendt does-not-exist.kit edu

 

Excerpt in English

Chinese-German Technology Development for Fuel Cell Vehicles

Translation: Maike Schröder

 

IPEK – Institute of Product Engineering at KIT, and the Clean Energy Automotive Engineering Center (CEAEC) of Tongji University, Shanghai, have established a joint team of developers for the MorEH2 (methods for distributed development of H2 fuel cell vehicles in cooperation with China) research project.

 

“We cooperate with our colleagues in China every day,” says Dr. Matthias Behrendt, who coordinates the project. “The project is organized such that it is of no relevance where we are located physically at any moment,” he says. A novel drive system might be installed on KIT’s roller dyno, while the driver is in China. Therefore, the present project does not only focus on drive systems of fuel cell vehicles, but also on the question of which methods can be used for effective collaboration and how joint technology development for market- and customer-specific novel drives can be implemented at different locations. In addition, the German-Chinese research project is intending to initiate standardization activities in this area.

 

 

Contact: matthias behrendt does-not-exist.kit edu