Rethinking in a System of Systems

Future Mobility Systems Require Interdisciplinary Collaboration

Article within the current edition of the KIT magazine lookKIT on information at the Karlsruhe Institute of Technology, Edition 3/2018. The text was written in German, an excerpt is available in English at the end of the text.

 

Dass Menschen und Güter schnell und zuverlässig transportiert werden, ist für das Funktionieren moderner Gesellschaften unerlässlich. Gleichzeitig ist eine komfortable und sichere Lösung für jeden einzelnen Mobilitätsnutzer ein absolutes Muss! Aktuelle Megatrends wie Globalisierung und Urbanisierung, die mit Phänomenen wie Ressourcenknappheit, Platzmangel und einer überlasteten Infrastruktur einhergehen, machen es gleichzeitig schwieriger, Waren rechtzeitig auszuliefern und Personen pünktlich an ihr Ziel zu bringen. „Den Verkehrskollaps können wir nur abwenden, wenn wir Aspekte wie Verkehr, Infrastruktur und Energie ganzheitlich betrachten“, sagt Professor Albert Albers, Leiter des IPEK – Institut für Produktentwicklung am KIT. Dazu müsse man Mobilitätssysteme als aus unterschiedlichsten Teilsystemen aufgebaute Organisationen (System of Systems SoS) begreifen, aus denen es ein nahtloses Gefüge zu formen gelte. Eine solche „Seamless Mobility“ lasse sich freilich nur im Zusammenspiel der Disziplinen erschaffen. Ist beispielsweise von der Mobilität der Zukunft die Rede, kommen autonomes Fahren, „third Place of Living“ – also das autonome Mobilitätssystem als Lebensraum für Freizeit und Beruf, bei dem jeder seine persönliche Wohlfühl- und Arbeitsumgebung unterwegs dabei hat –, ein flächendeckendes öffentliches Nahverkehrsnetz, Elektromobilität oder Sharing-Modelle in den Sinn. „Entscheidend ist aber die sinnvolle Kombination verschiedener Transportsysteme“, sagt Albers. Ein denkbares Szenario wäre beispielsweise eine Anwendung, die es dem Nutzer erlaubt, seine Fortbewegung über verschiedene Verkehrsmittel hinweg zu planen und abzurechnen: Er fährt dann mit dem Citybike vom Restaurant zur Straßenbahnhaltestelle, weiter mit der Bahn und die letzten Kilometer bis vor die Haustüre mit dem autonomen Taxi. Bezahlt wird nur einmal mit einem privatsphärenschützenden Zahlungssystem, mit dem sich Zahlungen sicher und anonym abwickeln lassen.

 

Eines gemeinsam haben diese bislang nur unzureichend verknüpften Teilsysteme bereits heute: Sie alle sind in zunehmendem Maße auch softwarebasiert. Ein zentraler Aspekt zukünftiger Mobilitätssysteme ist nicht nur deshalb auch die Cyber-Sicherheit. Die durch zunehmende Vernetzung entstehenden Schnittstellen bieten vermehrt Angriffsfläche für Zugriffe in das System of Systems. Zum Beispiel mit dem Ziel, den Verkehrsfluss zu stören, die Bezahlvorgänge zu manipulieren oder sogar ein autonomes Fahrzeug zu entführen. „Die Informatik muss hier intelligente Verfahren und Systeme entwickeln, die solche Gefahren erkennen und abwehren“, sagt Professor Jörn Müller-Quade, Sprecher des Kompetenzzentrums für Cybersicherheit KASTEL.

 

Grundlegend für eine Seamless Mobility ist unter dem System-of-Systems-Ansatz die Vernetzung der verschiedenen Systeme. Dafür muss die Kommunikation der Komponenten sowohl innerhalb des Autos als auch mit anderen Fahrzeugen und schließlich mit Anlagen zur Steuerung des Straßenverkehrs wie zum Beispiel Ampeln sicher und zuverlässig funktionieren „Dabei müssen die traditionellen Schutzziele der IT-Security wie Vertraulichkeit und Integrität gewährleistet sein. Ebenso sollten Dienste wie eine kooperative Routenplanung funktionieren, ohne die Privatsphäre der Nutzer zu gefährden“, sagt Professorin Martina Zitterbart, Leiterin des Instituts für Telematik und ebenfalls bei KASTEL engagiert.

 

Doch damit nicht genug: Denn schon das Teilsystem „Autonomes Fahren“ wirft nicht nur technische, sondern auch zahlreiche juristische und gesellschaftliche Fragen auf. Ein Beispiel: Die Software autonomer Fahrzeuge, die Teil des System of Systems der nahtlosen Mobilität sind, müssten regelmäßig aktualisieret werden, um im Nachhinein bekannt gewordene Schwachstellen zu beseitigen oder Hackerangriffen zu begegnen, gibt Dr. Carsten Sinz vom Institut für Theoretische Informatik zu bedenken. „Dabei muss allerdings sichergestellt sein, dass nicht unabsichtlich neue Fehler eingeführt werden, die das Auto an anderer Stelle vielleicht wieder unsicherer machen.“ Im Grunde müsse ein Fahrzeug daher nach jedem Update neu zugelassen werden. „Das ist in der Praxis heute aber überhaupt nicht umsetzbar. Da müssen Informatiker, Autobauer und Juristen Hand in Hand an einer Lösung arbeiten“, fordert Sinz.

 

„Im Moment ist die Wissenschaft noch nicht in der Lage, mit dieser Komplexität umzugehen“, konstatiert Albert Albers. Es gebe ganz unterschiedliche Modellvorstellungen, die nicht kompatibel seien. „Schon unter dem Begriff Prozess versteht ein Verkehrsplaner etwas völlig anderes als ein Produktentwickler“, nennt Albers ein Beispiel. Die Folge: gegenseitiges Unverständnis. Damit sich ihre wissenschaftlichen Domänen verbinden lassen, müssen Ingenieure, Stadtplaner und Systementwickler also erst einmal eine gemeinsame Sprache (er)finden und entsprechende neue Entwicklungsprozesse für solche komplexen Systems of Systems erforschen und installieren.

 

Die mit dem Megatrend Urbanisierung verbundenen Verkehrsprobleme zum Beispiel bedeuten Anforderungen an die Infrastruktur, an die Fahrzeuge selbst und an die Anbieter von Serviceleistungen. Dazu gehören fehlende Ladesäulen für Elektroautos und Mangel an Parkplätzen, möglichst geringe Emissionen und Sharing-Angebote. „Während es 20 Jahre dauert, Infrastrukturprojekte zu planen und zu verwirklichen, nehmen Weiterentwicklungen bei Fahrzeugen etwa 5 Jahre in Anspruch“, zählt Sascha Ott auf, Geschäftsführer des IPEK. „Eine Car-Sharing-App hingegen kann man in wenigen Monaten programmieren.“ Diese so unterschiedlichen Zeithorizonte gelte es zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen. „Dazu müssten der Service-Ingenieur und der Stadtplaner aber erst einmal ins Gespräch kommen“, so Ott.

 

Funktionieren soll das nach Vorstellung der Wissenschaftler am KIT durch das Denken im System of Systems. Um eine fächerübergreifende Sprache zu entwickeln, müssten die einzelnen Vorstellungen und Bedürfnisse in abstrahierten Modellen dargestellt werden, sagt Professor Ralf Reussner vom IPD. „Jedes Modell ist auf eine bestimmte Funktionalität ausgerichtet. Zusammengenommen verfolgen die Modelle oder auch Systeme jedoch ein bestimmtes gemeinsames Ziel. Zum Beispiel die Fortbewegung von Personen und Gütern.“ Ergeben sich am einzelnen System Veränderungen, habe das im SoS auch immer Auswirkungen auf die übrigen Teilsysteme, ohne dass sich jedoch das Gesamtziel ändert.

 

In die Praxis gewendet heißt das: „Wir müssen aufhören, vom Auto her zu denken, sondern die Funktion im Sinne eines Kundenbedürfnisses in den Blick nehmen“, fordert IPEK-Geschäftsführer Ott. Zum Beispiel beim Entwickeln neuer Produktprofile für das autonome Fahren. „Wir müssen uns fragen, was brauchen wir und wer hat etwas davon“, sagt Ott. So werde das automatisierte Fahren heute vorrangig unter den Aspekten Sicherheit und Verkehrsfluss betrachtet. Wenn Autos selbst fahren, so meint man, werde die Zahl der Unfälle, also auch der Verletzten und Toten, im Verkehr sinken. Als Begründung wird oftmals angeführt, dass rund 90 Prozent der Unfälle auf menschliches Versagen zurückgehen. Außerdem würden Fahrzeuge, die mitdenken und mit anderen Autos oder Ampeln kommunizieren, den Verkehr flüssiger fließen lassen und so die Kapazitäten des Straßensystems erhöhen. „Über die Möglichkeiten an Mobilitätsgewinnen, die das automatisierte Fahren einer alternden Gesellschaft wie der unsrigen bietet, redet aber kaum jemand“, wundert sich Ott. Dabei öffneten sich mit dem Transport von Personen, die selbst nicht fahren können, ganz neue Perspektiven – etwa für die ländlichen Räume: „Es gibt Millionen von Senioren, die liebend gerne nicht mehr selbst fahren würden, aber nach wie vor auf das Auto angewiesen sind.“

 

Albert Albers liefert ein weiteres Beispiel: „Emily ist ein sechsjähriges Mädchen, das ihre Großeltern besuchen möchte, aber ihre Mutter Anika ist beschäftigt und hat keine Zeit, sie zu fahren. Per App arrangiert Anika also den Transport ihrer Tochter durch einen Dienstleister. Dessen automatisiertes fahrerloses Mobilitätssystem bringt Emily ohne Emissionen auf der optimalen Route und sicher zum Haus der Großeltern. Unterwegs übernimmt die Einheit, welche Emily befördert, vom Logistiksystem noch ein Paket für die Großeltern, sodass es schneller eintrifft – das ist ein Szenario, das wir mit unserer Forschung am KIT möglich machen wollen. Ein Kernpunkt ist dabei das Vertrauen und die Akzeptanz in die Sicherheit und Zuverlässigkeit solcher Lösungen.“

 

Damit so ein komplexes System funktionieren könne, müssten Verkehrsplaner, Ingenieure und Entwickler optimal zusammenarbeiten, ist Ott überzeugt. Und damit die Kommunikation gelinge, müssten einheitliche Begrifflichkeiten erarbeitet und die vernetzte Zusammenarbeit zum Standard werden. „Die Potenziale der Digitalisierung und der verstärkte Einsatz lernender Systeme in diesem Kontext wird hier in den nächsten Jahren ganz neue Lösungen ermöglichen und besonders auch den Hochtechnologiestandort Deutschland weiter stärken, wenn wir nun alle zusammen – Politik, Unternehmen, Gesellschaft – und besonders auch die Forschung – diese Themen offensiv angehen – am KIT tun wir dies mit unserer Initiative Seamless Mobility“, so Albers.

 

Kontakt: sascha ott does-not-exist.kit edu

 

Excerpt in English

Future Mobility Systems Require Interdisciplinary Collaboration

Translation: Maike Schröder

 

When speaking about future mobility, we think of autonomous driving, an extensive public transport network, electric mobility or sharing schemes. Yet mobility systems have to be understood as entities consisting of partial systems or systems of systems, says Professor Albert Albers, Head of IPEK, KIT’s Institute of Product Engineering.

 

Accordingly, seamless mobility can only be established across disciplines, as the so far insufficiently interconnected partial systems have one thing in common: They are increasingly softwarebased. A central aspect of future mobility systems is cybersecurity. Within in the Seamless Mobility Initiative, researchers of the Institute of Telematics (TM) are working on the development of communication protocols. “Autonomous vehicles have to communicate with traffic lights and data of transport authorities, and car sharing services have to be compared. A holistic mobility system requires reliable, stable, and secure communication of its individual components,” says Martina Zitterbart, Head of TM, who is also active in the Competence Center for Applied Security Technology (KASTEL). “Computer science has to develop smart algorithms that identify and avert risks,” adds Ralf Reussner of KIT’s Institute for Program Structures and Data Organization (IPD), who is also involved in KASTEL.

 

But this is not sufficient: “Autonomous driving” as a partial system does not only give rise to technical, but also legal and social issues. An example: The software of autonomous vehicles needs to be updated regularly in order to eliminate weaknesses as they are detected or to counteract attacks by hackers, says Carsten Sinz of the Institute of Theoretical Informatics.

 

Sascha Ott, Managing Director of IPEK, is convinced that functioning of such a complex system requires optimal collaboration by traffic planners, engineers, and developers. For communication to succeed, terms have to be defined unambiguously and seamless cooperation has to be the standard. “The potentials of digitization and increasing use of learning systems in this context will lead to entirely new solutions in the coming years. This will strengthen Germany as a location of high technologies. We at KIT want to foster this with our Seamless Mobility Initiative,” Albert Albers concludes.

 

Contact: sascha ott does-not-exist.kit edu