Beyond Lithium

POLiS Cluster of Excellence to Establish the Foundations of Sustainable and Effective Battery Storage

Article within the current edition of the KIT magazine lookKIT on information at the Karlsruhe Institute of Technology, Edition 1/2019. The text was written in German, an excerpt is available in English at the end of the text.

Das KIT hat in der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder 2018 zwei Exzellenzcluster eingeworben – eines davon ist das Exzellenzcluster POLiS zu Batterieforschung in Kooperation mit der Universität Ulm. Für Professor Maximilian Fichtner, den sprecher von POLiS (Post Lithium Storage Cluster of Excellence), bedeutet dies einen ersten sichtbaren Erfolg der neuen gemeinsamen Batterieforschungsplattform CELEST. Fichtner ist Direktoriumsmitglied des Helmholtz-Instituts Ulm (HIU), eines vom KIT gegründeten Instituts in Kooperation mit der Universität Ulm und den assoziierten Partnern DLR und ZSW. Mit lookKIT-Autor Dr. Martin Heidelberger spricht er über die Ausrichtung des Exzellenzclusters, neue Speicherkonzepte und das Ende der Ölförderung.

 

lookKIT: Herr Professor Fichtner, der Zuschlag für ein Exzellenzcluster Batterieforschung bestätigt die gute Zusammenarbeit zwischen KIT, Universität Ulm und den anderen Partnern – was ist ihr Erfolgsrezept?

 

Professor Maximilian Fichtner: „Die Aktivitäten der Universität Ulm und des KIT passen sehr gut zusammen. Ulm bringt die elektrochemische Grundlagenforschung, die Oberflächenwissenschaften und Modellierung ein. Das KIT wiederum ist stark in der Materialforschung und bei den Ingenieursaktivitäten. Ein erstes Zeichen, dass man das erkannt hat, war die Gründung des Helmholtz-Instituts Ulm im Jahr 2011. Mit der Gründung von CELEST im Jahr 2018 haben wir dann unsere gesamten Aktivitäten in der Batterieforschung und Lehre sowie die Entwicklungsarbeiten auf einer gemeinsamen Plattform zusammengeführt, an der sich noch das ZSW in Ulm als weiterer Partner beteiligt. Damit haben wir weltweit einzigartige Voraussetzungen für die Batterieforschung geschaffen und das hat auch in der Exzellenzinitiative überzeugt.“

 

lookKIT: Das Exzellenzcluster Trägt nun den programmatischen Titel "POLiS - Post Lithium Storage Cluster of Excellence" - was verbringt sich dahinter?

 

Maximilian Fichtner: „Der Name steht für unser Vorhaben, die Grundlagen für eine Speicherwelt jenseits der Lithium-Ionen-Batterie zu schaffen. Zwar sind Lithium-Ionen-Batterien anderen Batterietypen technologisch bislang überlegen, aber Alternativen sind durchaus denkbar. Mit dem neuen Exzellenzcluster werden wir also die wissenschaftlichen Zusammenhänge von Energiespeichermedien jenseits der etablierten Lithiumtechnologie ermitteln und erste Batterien fertigen.“

 

lookKIT: Lithium-Ionen-Batterien funktionieren gut, sind weltweit etabliert und werden zudem kontinuierlich verbessert. Warum wollen Sie denn Speichertechnologien ohne Lithium entwickeln?

 

Maximilian Fichtner: „Dafür gibt es viele gute Gründe. Ein besonders guter Grund sind bessere Batterien. Wir wollen kleinere Batterien mit größeren Speicherkapazitäten entwickeln – was mit alternativen Materialien theoretisch möglich ist. Außerdem werden wir Elemente verwenden, die sehr viel häufiger verfügbar und besser recycelbar sind als Lithium. Die Ressourcenlage in der Batterieindustrie ist ja sehr angespannt. Für Lithium-Ionen-Akkus wird Kobalt benötigt, das voraussichtlich in den 2020er Jahren knapp werden wird und heute teilweise unter zweifelhaften sozialen Standards abgebaut wird. Es kann also gut sein, dass in Ihrem Smartphone das Ergebnis von Ausbeutung und Kinderarbeit steckt. Zudem ist auch Lithium nicht unendlich verfügbar. Wenn es uns aber rechtzeitig gelingt, die Lithiumtechnologie zumindest teilweise durch Alternativen zu ersetzen, könnte man diese Situation entschärfen.“

 

lookKIT: Einige spektakuläre Unfälle mit Elektroautos haben gezeigt, dass Lithium-Ionen-Batterien unter Umständen auch ein Sicherheitsrisiko darstellen können. Werden die Batterien der nächsten Generation denn sicherer sein?

Maximillian Fichtner: „Davon gehen wir aus. Sie sprechen im Zusammenhang mit der LithiumIonen-Technologie von einem möglichen Sicherheitsrisiko, aber Tatsache ist, dass man bei dieser Technologie ja bereits jetzt einige Kompromisse eingeht, um die Sicherheit zu gewährleisten. Wir verdünnen das Lithium beispielsweise sehr stark um den Faktor 10, wenn wir in der Anode der Batterie Graphit als Wirtsmaterial für die Lithium-Ionen verwenden. Wenn wir reines Lithium verwenden, bilden sich mit der Zeit sogenannte Dendriten. Das sind kleine Nadeln, die beim Laden und Entladen auf dem Lithium wachsen und Kurzschlüsse in der Batterie auslösen können. Doch wenn man das Lithium verdünnt, senkt man gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Batterie. Wir wollen nun in POLiS beispielsweise Magnesiumbatterien entwickeln, bei denen dieses Problem nicht auftritt.“

 

lookKIT: Über die Magnesiumbatterie wird in der letzten Zeit vermehrt berichtet - gibt es, neben der fehlenden Dendritbildung, weitere Vorteile dieses Batteriekonzepts?

 

Maximilian Fichtner: „Magnesium hat eine höhere Speicherkapazität als Lithium und ermöglicht theoretisch leichtere und kleinere Batterien. Außerdem ist Magnesium ungiftig, breit verfügbar und lässt sich gut recyceln. Magnesiumbatterien wären also günstiger in der Herstellung und nachhaltig verfügbar. Allerdings stehen wir in der Entwicklung noch am Anfang – im Wesentlichen gilt es, zwei Schwierigkeiten zu lösen: Zum einen altern unsere Labormuster noch zu schnell. Wir müssen besser verstehen, warum das so ist. Das andere ist der Wirkungsgrad. Augenblicklich stecken wir zu viel Energie hinein und bekommen zu wenig heraus. Aktuell bewegt sich das etwa auf dem Niveau der konventionellen Bleibatterie. Aber es gibt Hoffnung: Wir haben am HIU einen vielversprechenden Elektrolyten entwickelt, der bessere Werte ermöglicht. Das ist nicht trivial. Ein Elektrolyt muss das Magnesium leicht aufnehmen und wieder abgeben können, er muss mit den Materialien in den Polen harmonieren und er darf sich nicht zersetzen.“

 

lookKIT: Welche weiteren Batteriekonzepte wollen Sie mit dem Exzellenzcluster erforschen und warum?

 

Maximilian Fichtner: „Da wäre zum einen die Natrium-Ionen-Batterie, die vor allem als Drop-in-Technologie im Gespräch ist. Drop-in bedeutet in diesem Zusammenhang, dass man an den jetzigen Fertigungsverfahren der Lithiumbatterien ansetzen kann, da sich die verwendeten Materialien ähnlich wie die bei der Lithium-Ionen-Batterie verhalten. Wir müssen also nur – wobei auch das nicht ganz so einfach ist – die Materialien ersetzen, um Natriumbatterien zu bauen. Natrium ist deutlich günstiger zu beschaffen als Lithium. Allerdings werden die Batterien etwas größer und schwerer ausfallen als die heutigen Lithium-Ionen-Batterien, sie werden aber höheren ökologischen und sozialen Standards genügen. Neben Natrium und Magnesium wollen wir auch Kalzium, Aluminium und Chlorid als Ladungsträger einsetzen. Chlorid ist aber ein negativer Ladungsträger und bisher wurde in der Forschung primär auf positive Ladungsträger geschaut. Wir haben gezeigt, dass es technologisch möglich ist, Negativbatterien bei Raumtemperaturen zu betreiben und haben dafür das Grundpatent.“

 

lookKIT: Für Laien wirken die vielen Stränge der Batterieforschung manchmal verwirrend. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, sich im Exzellenzcluster auf ein Konzept zu konzentrieren?

 

Maximilian Fichtner: „Die Vielfalt in den verschiedenen Systemen ist nicht nur für die Laien verwirrend. Aber bislang wurde noch nie systematisch versucht, den besten Ansatz zu ermitteln. Wer hätte das auch machen können? Das geht nur mit einem koordinierten Ansatz und großen Ressourcen. Mit dem CELEST-Exzellenzcluster POLiS haben wir nun die einmalige Chance, die besten Materialien und Konzepte systematisch zu identifizieren. Wir wollen in großer Detailschärfe verstehen, wie die Prozesse in einer Batterie ablaufen und wie sie miteinander zusammenhängen. Um Trends und Unterschiede zu erkennen, braucht man dabei mehrere Projekte zur Datensammlung. Im Moment haben wir fünf Elemente, an denen wir arbeiten. Während der Laufzeit des Exzellenzclusters wird es sicherlich auch noch die eine oder andere Fokussierung geben. Wir müssen aber so breit anfangen, um Zusammenhänge überhaupt erkennen zu können.“

 

lookKIT: Das Exzellenzcluster ist ja zunächst auf eine Förderdauer von sieben Jahre angelegt. Was sind die wissenschaftlichen Ziele - werden Sie in dieser Zeit marktreife Batterien entwickeln oder geht es eher um Grundlagenforschung?

 

Maximilian Fichtner: „Sowohl als auch. In den ersten drei Jahren werden wir ein Programm abarbeiten, das wir dann begutachten lassen. Wir wollen flexibel bleiben, was die Ziele und die Ausführung der Forschung betrifft. Da können neue Projekte dazukommen und Projekte abgeschlossen werden. In den ersten drei Jahren haben wir uns dabei das Ziel gesetzt, eine Natrium-IonenBatterie zu bauen. Auch Labormuster von Magnesium-Batteriezellen sollen entwickelt werden. Andere Batteriekonzepte sind noch nicht so weit. Bei diesen befinden wir uns noch in der Grundlagenforschung und wir können noch nicht abschätzen, wann wir in welches Stadium kommen. Wir wollen die Lebensdauer dieser neuen Systeme verbessern und die kinetischen Barrieren verstehen, die den Wirkungsgrad bestimmen. Dafür werden wir das Verhaltensmuster der verschiedenen Elemente vergleichen und auf molekularer Ebene miteinander in Bezug stellen. Wir wollen Zusammenhänge erkennen und auf möglichst einfache Art beschreiben.“

 

lookKIT: Die Fertigung von Lithium-Ionen-Batterien wird heute von asiatischen Herstellern dominiert. Ergibt sich mit den Batterien der nächsten Generation für Deutschland und Europa eine Chance, wieder Marktsegmente zurückzugewinnen?

 

Maximilian Fichtner: „Das bleibt zu hoffen. Zunächst müssen wir Systeme entwickeln, die konkurrenzfähig sind, und dann müssten Industriepartner gefunden werden, die bereit sind, hohe Kosten und Risiken zu tragen. Es besteht durchaus die Chance, da einen Fuß in die Tür zu bekommen, weil wir mit neuen Batteriekonzepten auch auf neue Fertigungstechnologien umstellen müssen. Interessanterweise haben augenblicklich aber vor allem südkoreanische und chinesische Firmen Interesse an unserer Arbeit. Einige der Koreaner sagen ganz klar, dass Lithium-Ionen-Systeme keine langfristige Lösung sind. Aber auch mit BMW, Daimler und einigen europäischen Zulieferern sind wir bereits im Gespräch. Wir sagen ja schon lange, dass wir eigentlich eine eigene Zellfertigung bräuchten. Es ergibt einfach keinen Sinn, riesige Mengen Batterien mit Schiffen aus Asien hierherzuschaffen. Das ist im Übrigen auch ein großes Sicherheitsrisiko, aber es wurde auf Seiten der Industrie immer gesagt, dass sich eine Fertigung in Europa monetär nicht lohnen würde. Jetzt baut ein chinesischer Hersteller in Thüringen eine Fabrik und argumentiert, dass man die Zellen dort bauen sollte, wo sie gebraucht werden.“

 

lookKIT: Der letzte UN-Klimabericht hat es einmal mehr deutlich gemacht: Die Zeit für eine Mobilitätswende und die Umrüstung des Energitsystems drängt - werden die notwendigen Speichersystem denn rechtzeitig verfügbar sein?

 

Maximilian Fichtner: „Ich möchte da etwas ergänzen. Es ist natürlich sehr wichtig, den CO2 - Ausstoß zu reduzieren. Das ist aber auch mit der Ressourcensituation bei den fossilen Brennstoffen gekoppelt. Neuere Analysen dazu finden sich im World Energy Outlook 2018 der IEA, der gewissermaßen als Goldstandard gilt, was mittelbis langfristige Vorhersagen angeht. Wer möchte, kann dort lesen, dass sich die Ölförderung bis 2025 halbieren wird, wenn keine neuen Felder erschlossen werden. Und neue große Ölfelder sind leider nicht in Sicht. Das ist immerhin die Prognose einer der erdölfreundlichsten Organisationen der Welt. Es könnte also auch der Fall eintreten, dass eine CO2 -Reduktion sowieso eintritt, weil das Nachlassen der Ölförderung vielleicht schneller kommt als erhofft – was allerdings massive Auswirkungen haben würde. Es gibt im Moment leider keinen Königsweg, um uns auf eine solche Entwicklung schnell vorzubereiten. Wir haben aber das Ziel, im Rahmen von CELEST neue Wege aufzuzeigen, wie wir in Sachen Energiespeicherung besser vorankommen können. Das kann und soll ein wichtiger Beitrag zur Zwischenspeicherung Erneuerbarer Energien werden.“

 

Kontakt: m fichtner does-not-exist.kit edu

Info zu CELEST: www.celest.de

Twitter: @CELEST_18

 

 

Excerpt in English

POLiS Cluster of Excellence to Establish the Foundations of Sustainable and Effective Battery Storage

Translation: Ralf Friese

 

KIT acquired two Clusters of Excellence in the 2018 Excellence Strategy of the federal and state governments. One of them is the POLiS (Post Lithium Storage Cluster of Excellence) on battery research that is operated cooperatively with the University of Ulm. In an interview with LookKIT author Dr. Martin Heidelberger, Professor Maximilian Fichtner, Member of the Board of Directors of the 8-year-old Helmholtz Institute Ulm (HIU), and spokesman of POLiS, talks about the line followed in the Cluster of Excellence, new storage concepts, and the end of oil production.

 

POLiS stood for projects designed to create the foundations of a world of storage beyond lithium ion batteries, says Fichtner. Though lithium ion batteries so far had been technically superior to other types of batteries, there were credible alternatives. The new Cluster of Excellence would serve to study the scientific situation of energy storage media beyond established lithium technology up to the fabrication of some first batteries.

 

There were many good reasons for this development: Smaller batteries with higher storage capacities were sought, which was theoretically possible when alternative materials were used. Moreover, elements were to be employed which were much more abundant and more recyclable than lithium, as the resource availability was critical in the battery industry. Lithium ion batteries needed cobalt, which probably will become scarce in the 2020s and was sometimes mined under dubious social standards. Likewise, lithium was not available in unlimited quantities either, the scientist argued. Replacing lithium technology, at least in part by alternatives, could ease the situation. In addition, Maximilian Fichtner presumes that oil production might drop fifty percent by 2025, which would have massive effects. Unfortunately, no ideal way existed to prepare quickly for this development, so they have sought instead to create new approaches that will make faster progress in energy storage possible.

 

Contact: m fichtner does-not-exist.kit edu

Information about CELEST: www.celest.de

Twitter: @CELEST_18